Mitwirkende:
Regina Henkel (Organistin), Liturg*in (Carina Aust, Pfr.in Reihs-Vetter, Pfarrer Reihs), Ausleger (Pfr. Reihs)
Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Biblisches Votum:
Jesus sprach: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lk. 18, 31)
In dieser Karwoche nehmen wir drei Stationen des Leidensweges Jesu Christi in den Blick. Wir wollen Gott schauen – gerade auf dem Weg, den Jesus ans Kreuz gegangen ist. Heute blicken wir auf die Situation, in der Simon von Cyrene das Kreuz Jesu trägt. Wir blicken heute NICHT auf die Corona-Pandemie, denn sie ist nicht das allles-bestimmende Ereignis der Zeit.
(Psalm 143, 1-7, eg 760.1)
Herr, erhöre mein Gebet, /
vernimm mein Flehen um deiner Treue willen, /
erhöre mich um deiner Gerechtigkeit willen,
Denn der Feind verfolgt meine Seele /
und schlägt mein Leben zu Boden,
Und mein Geist ist in Ängsten, /
mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe.
Ich breite meine Hände aus zu dir, /
meine Seele dürstet nach dir wie ein dürres Land.
Die Lesung für diese Passionsandacht steht beim Evangelisten Markus im 15. Kapitel, die Verse 20b-22: Die Soldaten führten Jesus hinaus, dass sie ihn kreuzigten. Und zwangen einen, der vorüberging, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage. Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte.
Simon von Kyrene. Du heißt heute: Ibrahim Ezz-Eldin aus Ägypten, Nasu Abdulaziz aus Nigeria, Emil Ostrovko aus Minsk, José Adrián aus Mexiko, Magai Matiop Ngong aus dem Südsudan. Diese deine Geschwister nennt amnesty international exemplarisch auf ihrer Homepage. Sie sind zu Unrecht durch staatlicher Gewalt misshandelt, gefoltert, inhaftiert worden. Auch heute noch handeln Polizei und Militär in vielen Staaten der Erde wie die römischen Soldaten zu der Zeit Jesu: Es ist der Terror des Unvorhergesehenen. Es kann jeden und jede treffen, zur falschen Zeit am falschen Ort, und schon kann man sich seines Lebens, seiner Unversehrtheit nicht mehr sicher sein.
Simon von Kyrene. Du erlebst, was Jesus erlebte. Gewalt, Fremdbestimmung. Mit einem Wort, mit einem Schlag schließt sich das Fenster der eigenen Zukunft. Nichts geht mehr, nur noch Gehorsam gegen die Gewalt. An dir wird ein Exempel statuiert. Dein Beispiel soll andere abschrecken. Wenn es schon dich, einen unbeteiligten Passanten trifft, wie werden die Römer wohl erst mit denen verfahren, die sich Jesus zugehörig fühlen? Wenn es schon dich trifft, der du gerade von der Feldarbeit heim gehst zu deiner Frau und deinen Kindern, wenn auf deine soziale Situation nicht achtgegeben wird, wie wird es dann erst denen ergehen, die sich von ihrer Familie losgesagt haben und Jesus nachfolgen? Simon von Kyrene. Auf Golgatha kommst du an. Der Ort, an dem die Todesstrafe vollzogen wird. Der Ort, der von Verwesung stinkt, der erfüllt ist vom Stöhnen und Schreien der Gemarterten. Der Ort, an dem das Unvermeidliche auf dich wartet. Der Ort, an dem deine Zukunft endet, weil dein Leben endet – so wenigstens wirst du es erwarten.
Doch dann geschieht das Wunder für dich. Du wirst freigelassen. Aus einer Laune der Soldaten heraus vielleicht. Dein Recht wird wieder hergestellt. Das Unrecht, das dir ohne Urteil widerfahren ist, wird aufgehoben. Du kannst gehen und du wirst rennen, weg nur weg von diesem Ort des Schreckens, des Todes, der bleichen Schädelknochen. Der andere aber bleibt. Der, den du gar nicht kanntest, dessen Kreuz du getragen hast, dem du die Last erleichtert hast, dem du Kraft gegeben hast, der bleibt. Er flieht nicht, läuft nicht fort. Er trägt sein Kreuz nicht mehr, nun wird es ihn tragen. Er tauscht die Rollen mit dem Kreuz. Sollte es ihn auf dem Weg nach Golgatha niederdrücken und klein machen, so lässt er sich nun ans Kreuz binden, vom Kreuz tragen und drückt den Tod nieder. Mit seinem Tod wird auch der Tod seine Macht verlieren. Das Kreuz wird dem Glauben das Zeichen des Lebens sein.
Der Terror ist noch nicht zuende. Unzählige Menschen werden auf der Welt versklavt und gequält. Das Leid macht die Menschen immer noch klein. Aber um Christi willen, lasst uns das Leid geringer machen. Lasst uns dazu beitragen, dass die Menschen nicht länger gefoltert und getötet werden um einer Idee von Macht willen. Lasst uns dazu beitragen, dass um der Liebe willen die Geringsten aufgerichtet werden, die Geschwächten gestärkt werden, die Gefolterten verbunden werden. Lasst uns dazu beitragen, dass der Schrecken und der Terror überall auf der Welt aufhört.
Gott, erhöre mein Gebet, vernimm mein Flehen um deiner Treue willen! Ja, ich erkenne und bekenne vor dir die dunklen Schluchten meines Herzens, die Abgründe der Angst, die Krater der Kontrolle, die Tiefe der Trennung von dir. Ich bitte dich um dein Güte und deine Treue, dass du mich trotzdem nicht verlässt. Und ich bitte dich um ein weites Herz für mich, dass mich die Abgründe anderer nicht schrecken, dass ich sie aushalte.
Gott, erhöre mein Gebet, vernimm mein Flehen um deiner Treue willen! Ja, ich erkenne und bekenne vor dir die Begrenztheit meines Lebens, die ständige Gefährdung durch Krankheit, Unfall und Tod. Ich bitte dich um deine Güte und Treue, dass du mich hältst. Und ich bitte dich um tatkräftige Hände, offene Ohren und aufmerksame Augen für all die, die in Not geraten sind. Gott, erhöre mein Gebet, vernimm mein Flehen um deiner Treue willen!
Ja, ich erkenne und bekenne vor dir meinen Kleinglauben und meinen Kleinmut, der mit jedem Blick in den Spiegel schrumpft. Ich bitte dich um deine Güte und Treue, dass du mich aufrichtest und stärkst. Zeige mir, wie andere durch mich stark werden können, lass mich ermutigen und trösten, hoffen und glauben.
Gemeinsam beten wir:
Vaterunser